Die Feinstrukturkonstante zählt zu den wichtigsten Konstanten im Bereich der Naturwissenschaften, insbesondere aber in der Physik. Und obwohl der Wert von Alpha extrem genau bestimmt werden kann, gibt es doch viele offene Fragen zur Feinstrukturkonstante. So sagen manche Physiker zum Beispiel, der Wert dieser Konstante sei das größte Rätsel des Universums.
Warum ist die Feinstrukturkonstante so wichtig? Wenn der Wert von Alpha nur geringfügig anders wäre, würde die Welt wohl sehr viel anders aussehen. Wesentliche Vorgänge in der Natur würden ganz anders ablaufen und einige Forscher meinen sogar, dass es dann eventuell auch gar kein Leben geben könnte. Der Wert der Feinstrukturkonstante hat also eine sehr große Bedeutung.
Dennoch ist diese Konstante außerhalb der Physik relativ unbekannt. Dies liegt wohl vor allem daran, dass sie hauptsächlich in sehr kleinen Maßstäben zur Wirkung kommt, also in Atomen, Molekülen und in der Quantenmechanik.
Doch die Konstante tritt in sehr vielen verschiedenen Gebieten auf und gilt für alle Systeme der Quantenphysik. So wirkt sie praktisch auf alles, was aus Atomen und Molekülen aufgebaut ist. Und damit ist die Feinstrukturkonstante auch im großen Maßstab, ja für das ganze Universum von Bedeutung.
In diesem Artikel fassen wir die wichtigsten Informationen zum Thema Feinstrukturkonstante zusammen: von der Entdeckung über die verschiedenen Messmethoden zu den aktuell offenen Fragen und Rätseln. Wir untersuchen insbesondere auch genauer, warum die Bedeutung der Feinstrukturkonstante unter Physikern so hoch eingeschätzt wird. Und wir gehen dabei auf die folgenden Punkte und Fragen ein:
- Wann wurde die Feinstrukturkonstante entdeckt?
- Warum tritt die Konstante in so vielen verschiedenen Gebieten auf?
- Wie kann der Wert von Alpha gemessen werden?
- Was wäre, wenn der Wert von alpha anders wäre?
- Warum ist die Feinstrukturkonstante das größte Rätsel des Universums?
- Oder ist die Bedeutung dieser Konstante vielleicht überschätzt?
- Und ist die Feinstrukturkonstante vielleicht gar keine Konstante?
Die Kapitel im Überblick
Die Entdeckung der Feinstrukturkonstante
Der dänische Physiker Niels Bohr stellte 1913 ein neues Modell für das Atom vor. Danach bestehen Atome aus einem Atomkern und einer Atomhülle. Der Atomkern enthält Protonen und Neutronen, die Atomhülle besteht aus Elektronen, welche den Atomkern auf definierten Bahnen umreisen.
Dieses Atommodell war eine entscheidende Verbesserung, denn es konnte die Spektrallinien der vom Wasserstoffatom absorbierten oder emittierten Strahlung vorhersagen: Die Frequenz f einer dieser Spektrallinien ergibt sich dabei aus den Unterschieden der Energieniveaus der verschiedenen Elektronenbahnen:
h x f = E1 – E2
Doch bei genauerer Beobachtung der Spektrallinien bei höherer Auflösung wurde eine feine Aufspaltung der Energieniveaus gemessen. Diese Feinstruktur der Spektrallinien konnte durch das Bohrsche Atommodell nicht erklärt werden.
Arnold Sommerfeld führte 1916 hierfür die Feinstrukturkonstante Alpha ein. Diese beschreibt die Stärke der Wechselwirkung des magnetischen Moments des Elektrons auf seiner Bahn mit dem Magnetfeld des Atomkerns, die sogenannte Spin-Bahn-Wechselwirkung.
In dem Bohr-Sommerfeld Atommodell bewirkt die Eigendrehung (Spin) des Elektrons also ein magnetisches Moment, welches mit dem Magnetfeld des Atomkerns wechselwirkt. Dies führt zu einer Aufspaltung der Spektrallinien, wie sie bei hoher Auflösung beobachtet wurde.
Berechnung der Feinstrukturkonstante aus Naturkonstanten
Mit der Feinstrukturkonstante Alpha lassen sich die entsprechenden Energieniveaus berechnen, welche dann genau die Feinstruktur der Spektrallinien wiedergeben.
Dabei hat die Feinstrukturkonstante diesen Wert:
In der obigen Gleichung steht die Feinstrukturkonstante Alpha auf der linken Seite der Gleichung. Auf der rechten Seite der Gleichung ist ein Bruch, dessen Nenner und Zähler die folgenden Werte enthalten:
- Die Elementarladung e
- Die elektrische Feldkonstante Epsilon Null
- das Plancksche Wirkungsquantum h
- die Lichtgeschwindigkeit c
Auf der rechten Seite der Gleichung befinden sich also ausschließlich Naturkonstanten. Damit ist auch die Feinstrukturkonstante Alpha selber eine Naturkonstante.
Und es ist ein Naturkonstante, die keine Einheit hat. Das bedeutet, dass der Wert von Alpha unabhängig ist von dem benutzten Einheitensystem. Egal ob man das MKS- bzw. SI-Einheitensystem (Meter, Kilogramm, Sekunde) oder GCS-Einheiten (Gramm, Meter, Sekunde) benutzt, die Feinstrukturkonstante hat immer den gleichen Wert. Hingegen haben die meisten anderen Naturkonstanten unterschiedliche Werte, wenn man ein anderes Einheitensystem benutzt.
Eine weitere oft verwendete Schreibweise zur Herleitung der Feinstrukturkonstante Alpha aus anderen Naturkonstanten ist:
Es wird hier also h quer statt h verwendet. Der resultierende Wert für Alpha ist identisch zur obigen Gleichung, wie man leicht überprüfen kann. Wieder stehen auf der rechten Seite nur Naturkonstanten:
- Die Elementarladung e
- Die Kreiszahl Pi multipliziert mit dem Faktor 4
- Die elektrische Feldkonstante Epsilon Null
- das Plancksche Wirkungsquantum h, hier als h quer, also h dividiert durch 2 Pi
- die Lichtgeschwindigkeit c
Wert der Feinstrukturkonstante
Oft wird der Wert der Feinstrukturkonstante als Kehrwert von Alpha angegeben. Dies hat vor allem historische Gründe. Für mehrere Jahre nach der Entdeckung der Feinstrukturkonstante dachte man, der Wert von Alpha wäre genau 1/137. Heute weiß man, dass Alpha nur ungefähr gleich 1/137 ist.
Der Wert von Alpha kann durch verschiedene Methoden bestimmt werden. Zu den genauesten Methoden zur Messung der Feinstrukturkonstante gehören dabei:
- Atom-Interferometrie: Der mit dieser Methode bestimmte Wert lautet:
- Quanten-Hall-Effekt. Diese Messung ergibt den folgenden Wert:
Die in Klammern angegeben Ziffern sind die Unsicherheit (Standardabweichung) für die beiden letzten Stellen des Wertes. Die beiden Messungen sind also sehr genau und auch die Übereinstimmung ist sehr hoch. Damit ist die Feinstrukturkonstante eine der Naturkonstanten, deren Wert extrem genau bestimmt werden kann.
So lautet der aktuell geltende Wert für Alpha:
bzw. als Kehrwert geschrieben:
Alpha und die Zahl 137
Zu Beginn der Entdeckung der Feinstrukturkonstante hatten viele Wissenschaftler angenommen, der Wert von Alpha wäre gleich dem Kehrwert der Zahl 137. Daraus ergaben sich dann viele Überlegungen und mystische Theorien, warum die Zahl 137 so eine große Bedeutung habe.
Tatsächlich ist 1/137 eine relativ gute Näherung für Alpha. Aber es ist in den folgenden Jahren durch viele sehr genaue Messungen gezeigt worden, dass Alpha verschieden ist von 1/137, siehe hierzu das Kapitel: Wert der Feinstrukturkonstante.
In manchen Artikeln liest man dennoch, dass der Wert von Alpha genau gleich 1/137 sei. Dies ist nicht richtig, Alpha ist nur ungefähr gleich dem Wert 1/137. Entsprechend hat auch Alpha mit der Zahl 137 nichts zu tun. Und daher kann man aus dem Wert der Feinstrukturkonstante auch keine geheimnisvolle Bedeutung der Zahl 137 ableiten.
Quellen
https://de.wikipedia.org/wiki/Feinstrukturkonstante
https://de.wikipedia.org/wiki/Feinstruktur_(Physik)
https://de.wikipedia.org/wiki/Bohrsches_Atommodell
https://de.wikipedia.org/wiki/Bohr-sommerfeldsches_Atommodell
https://de.wikipedia.org/wiki/Spin-Bahn-Kopplung
http://www.feynman.com/science/the-mysterious-137/
Sommerfeld, A. (1916): „Zur Quantentheorie der Spektrallinien“, Annalen der Physik, 51 (17): 1–94. https://doi.org/10.1002%2Fandp.19163561702
Fan et al. (2023). Measurement of the Electron Magnetic Moment. Physical review letters, 130(7), 071801. https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.130.071801