Der Golfstrom gehört zu den größten und stärksten Meeresströmungen und bestimmt das Wetter in Europa. Als Folge des Klimawandels droht der Golfstrom jedoch zu kippen, eine Gefahr, auf die Klimawissenschaftler bereits seit langem hinweisen. Und tatsächlich wurde in den letzten Jahren durch mehrere Studien eine Abschwächung des Golfstroms festgestellt.
Was wären die Auswirkungen, wenn der Golfstrom zusammenbricht? Der Golfstrom transportiert warme Wassermassen aus dem Golf von Mexiko über Tausende von Kilometer in nordöstliche Richtung. Dieses warme Wasser gelangt so bis in die Nordsee und an die Küsten Skandinaviens. In ganz West-, Mittel- und Nord-Europa sorgt der Golfstrom so für milde Temperaturen, vor allem im Winter.
Eine Abschwächung des Golfstroms bedeutet, dass im Atlantik weniger Wärmeenergie aus dem Gebiet der Tropen in Mittelamerika (Mexiko, Kuba) nach Europa und Nord-Europa transportiert wird.
Dies führt zu einer Reihe von Wechselwirkungen der Elemente im Klimasystem und hat so bereits viele negative globale Auswirkungen. Doch ein Abbrechen des Golfstroms wäre das Überschreiten eines Kipppunktes und hätte noch weitaus gravierendere Folgen.
In diesem Artikel fassen wir die wichtigsten Informationen und Forschungsergebnisse zum Thema Golfstrom zusammen. Dabei gehen wir zunächst auf die Bedeutung des Golfstroms für das Wetter und das Klima ein. Dann besprechen wir den Zusammenhang mit dem Klimawandel und diskutieren, wie groß das Risiko ist, dass der Golfstrom kollabiert.
Zu den Fragen und Punkten, auf die wir besonders eingehen, gehören:
- Wie funktioniert der Golfstrom?
- Wo verläuft der Golfstrom?
- Wieso ist der Golfstrom wichtig für Europa?
- Wie wirkt sich die globale Erwärmung auf den Golfstrom aus?
- Warum schwächt der Golfstrom ab?
- Welches sind die Auswirkungen eines schwächeren Golfstroms?
- Was passiert, wenn der Golfstrom zusammenbricht?
Die Kapitel im Überblick
Was ist der Golfstrom?
Der Golfstrom ist eine Meeresströmung im Nordatlantik und eine der stärksten Meeresströmungen weltweit. Es werden in der Sekunde ca. 30 bis 150 Millionen Kubikmeter Wasser transportiert. Dies ist mehr als die Menge, die von allen Flüssen auf der Erde transportiert wird.
Dabei ist der Golfstrom kein kontinuierlicher, gleichbleibender Strom wie ein Fluss. Er besteht vielmehr aus einer großen Zahl von vielen Strömungen und Wirbeln, welche sich gegenseitig verstärken oder auch aufheben.
Die einzelnen Strömungen können ihre Richtung und Stärke dabei sehr schnell ändern. In Satelliten-Aufnahmen sieht man entsprechend eine starke Variabilität von Monat zu Monat, Tag zu Tag und auch von Stunde zu Stunde.
Doch über die Zeit gemittelt ergibt sich in der Summe eine starke Strömung in einer vorwiegenden Richtung. Die Stärke, Geschwindigkeit und Richtung von großen Meeresströmungen kann deshalb oft nur durch lange und aufwendige Mittelung von Messungen bestimmt werden.
Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch wird für den Golfstrom meist der englische Begriff „Atlantic Meridional Overturning Circulation (AMOC)“ verwendet. Auf Deutsch heißt dies: Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation.
Meridional bedeutet dabei, dass die Strömung vor allem in der Nord-Süd-Richtung verläuft. Und der Begriff Umwälzzirkulation beschreibt, dass durch den Golfstrom auch ein Austausch von Wassermassen an der Meeresoberfläche mit den tieferen Meeresschichten erfolgt. Siehe hierzu auch das Kapitel: Wie funktioniert der Golfstrom?
Zusammen mit dem Äquatorialstrom und dem Antarktischen Zirkumpolarstrom gehört der Golfstrom zu einem weltweiten Strömungssystem, welches oft als globales Förderband („global conveyor belt“) bezeichnet wird.
Verlauf des Golfstroms
Der Golfstrom beginnt im Golf von Mexiko nahe Kuba und Florida. Er verläuft in nordöstlicher Richtung über mehrere Tausend Kilometer bis nach England und Norwegen.
Dabei nennt man oft auch nur den südlichen Teil Golfstrom und den nördlichen Teil Nordatlantikstrom. Beide Begriffe werden aber auch oft für die gesamte Strömung verwendet. Früher bezeichnete man diese Strömung auch als Florida-Strom.
Der Golfstrom beginnt bei ungefähr 25 Grad Nord und verläuft zunächst an der Ostküste Floridas in nördlicher Richtung. Ungefähr bei 40 Grad Nord bekommt der Strom dann eine nordöstliche Richtung, die ihn über den Atlantik bis nach England und Skandinavien führt.
Der Golfstrom wird oft von einer Gegenströmung begleitet, welche etwas östlich davon in südwestlicher Richtung verläuft (nicht in der obigen Abbildung gezeigt).
Wie schnell fließt der Golfstrom?
Die Geschwindigkeit des Golfstroms hängt stark vom Ort ab und ist auch zeitlich sehr variabel. Zu den Faktoren, welche die Strömungsgeschwindigkeit bestimmen, gehören insbesondere: die Richtung und die Geschwindigkeit des Windes, die Verteilung der Landmassen und auch der Ozeanboden.
Dadurch verändert sich die Geschwindigkeit sowohl von Tag zu Tag als auch mit den Jahreszeiten. Und auch entlang des Stroms, der sich über mehrere Tausend Kilometern ausdehnt, ist die Geschwindigkeit von Ort zu Ort sehr verschieden.
Der Golfstrom erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu 9 km pro Stunde und ist damit die schnellste Meeresströmung auf der Erde. Nahe dem Ursprung des Golfstroms bei der Ostküste Floridas beträgt die mittlere Geschwindigkeit etwa 6 bis 7 km pro Stunde (bzw. etwa 1,5 bis 2 Meter pro Sekunde). Im Nordatlantik fließt der Golfstrom (bzw. dann: Nordatlantikstrom) mit einer geringeren Geschwindigkeit, transportiert aber eine größere Menge an Wasser und Wärmeenergie.
Wie funktioniert der Golfstrom?
Durch den Golfstrom und Nordatlantikstrom gelangt die Wärme aus den tropischen Regionen um Florida und Mexiko bis an die Küsten von Nord-Europa. Doch wie funktioniert das genau? Was treibt den Golfstrom an?
Großflächige Meeresströmungen wie der Golfstrom werden durch viele Faktoren angetrieben. Dazu gehören insbesondere:
- Windrichtung und Windgeschwindigkeit
- Temperaturunterschiede
- Unterschiede im Salzgehalt
Dabei ist der Wind vor allem für die Strömung an der Meeresoberfläche und die oberen Meeresschichten wichtig. Für tiefere Schichten spielen die Faktoren Temperatur und Salzgehalt eine größere Rolle. So treiben regionale Unterschiede im Salzgehalt und der Temperatur den Golfstrom und die damit verbundene Umwälzbewegung des Nordatlantiks an. Hierauf gehen wir in den folgenden Kapiteln genauer ein.
Thermohaline Zirkulation
Der Golfstrom ist eine Strömung, die nicht nur an der Oberfläche des Meeres erfolgt. Wie viele Meeresströmungen ist auch die Atlantische Meridionale Zirkulation ein Strömungssystem, welches mehrere Kilometer in die Tiefe des Meeres reicht. Wie funktioniert das genau?
Die Richtung und die Geschwindigkeit des Windes haben einen bestimmenden Effekt auf die Strömung an der Meeresoberfläche und auch bis in eine Tiefe von einigen Hundert Metern. Der Atlantik ist aber im Mittel über 3 Kilometer tief und erreicht Tiefen von über 5 km bis maximal fast 9 km. Auch der Golfstrom dehnt sich in seiner Tiefe, also in vertikaler Richtung, über mehrere Kilometer aus.
Dabei wird für tiefere Meeresschichten der Effekt des Windes immer kleiner. Die Faktoren, welche die Nordatlantische Meridionale Zirkulation in der Tiefe des Meeres bestimmen, sind:
- Temperatur: Warmes Wasser hat eine geringere Dichte (Masse pro Volumen) als kaltes Wasser. Deshalb steigt wärmeres Wasser nach oben und kaltes Wasser sinkt ab.
- Salzgehalt: Auch der Salzgehalt verändert die Dichte von Meerwasser: Je mehr Salz das Wasser enthält, umso schwerer ist es. Deshalb sinkt stark salzhaltiges Wasser in die tiefen Meeresschichten ab.
Entlang dem über Tausende von Kilometer in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Golfstrom nimmt die Temperatur immer weiter ab. Deshalb erfolgt ein Absinken des Wassers an vielen Stellen entlang des Golfstroms.
Vor allem befinden sich solche Absinkregionen aber nahe der Arktis, siehe die folgende Abbildung.
In den Meeresgebieten nahe dem Nordpol sind die Temperaturen so niedrig. dass dort das Meerwasser gefrieren kann. Durch die Bildung von Meereis steigt der Salzgehalt des Meerwassers an, denn Meereis enthält sehr viel weniger Salz als Wasser.
So treten in der Arktis um Nordskandinavien, Island und Grönland zwei Faktoren verstärkt auf, die zu einem Absinken der Wassermassen führen: sehr niedrige Temperaturen und hoher Salzgehalt.
Temperatur heißt auf Griechisch thermo, und Salz heißt halin. Man bezeichnet Strömungssysteme, die durch Unterschiede in der Temperatur und im Salzgehalt angetrieben sind, deshalb auch als Thermohaline Zirkulation.
Nordatlantische Umwälzströmung
Der Golfstrom führt also einerseits zu einem Austausch der Wassermassen aus dem Gebiet der Tropen mit der Meeresregion um die Arktis. Zum anderen wird auch das Wasser an der Oberfläche mit dem Wasser aus den mehrere Kilometer tiefen Schichten des Atlantik ausgetauscht.
Der Antrieb dieser Strömung erfolgt dabei durch die unterschiedliche Dichte des Wassers, welche wiederum aus Unterschieden in der Temperatur und im Salzgehalt bewirkt ist. Der Grund für die hohen Temperaturunterschiede zwischen den Tropen und der Arktis ist die stark unterschiedliche Intensität in der Sonneneinstrahlung. Und der Grund für den unterschiedlichen Salzgehalt ist die Bildung von Meereis in den Regionen nahe der Arktis.
Die folgende Grafik fasst die beiden Austauschvorgänge der nordatlantischen Umwälzzirkulation zusammen: In der Draufsicht sehen wir den Verlauf des Golfstroms an der Oberfläche von Süden nach Norden. Der Querschnitt zeigt den Rückstrom der kalten Wassermassen in der Tiefe des Meeres.
Die „Atlantic Meridional Overturning Circulation (AMOC)“ ist also ein riesiges System, welches die Wassermassen im Nordatlantik ständig austauscht und umwälzt. Dabei kommt es am nördlichen Ende des Stroms (nahe der Arktis) vermehrt zu einem Absinken von der Oberfläche in die Tiefe. Andererseits erfolgt in den Gebieten nahe dem südlichen Ursprung des Golfstroms (in den Tropen) vermehrt ein Aufsteigen aus den viele Kilometer tiefen Schichten an die Oberfläche.
Der Golfstrom sorgt so für den Transport und Austausch von riesigen Mengen an Wärmeenergie im Nordatlantik. Und auch mit der Atmosphäre erfolgt an der Meeresoberfläche ein Energieaustausch. So ist die Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation ein sehr wichtiges Element im globalen Klimasystem.
Quellen
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