1,5 und 2 Grad Ziel

Auf der Klimakonferenz von Paris im Jahr 2015 einigten sich fast alle Länder der Welt darauf, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Aber kann dieses 1,5 Grad Ziel realistisch noch erreicht werden? Ein Überschreiten dieser Grenze hätte nach Einschätzung der Wissenschaft erhebliche negative Auswirkungen in sehr vielen Gebieten auf der Erde.

Das 1,5 Grad Ziel wurde allerdings nur als möglichst zu erreichendes Ziel definiert. Verpflichtet haben sich die Staaten durch das Pariser Abkommen auf das 2 Grad Ziel. Dieses ist mit noch weitaus mehr negativen Folgen verbunden. Doch auch hier ist es bereits sehr fragwürdig, ob es realistisch noch möglich ist, die 2-Grad-Grenze einzuhalten.

Der Hauptgrund hierfür ist: Für den weltweiten Temperaturanstieg in den nächsten Jahren sind nicht nur die aktuellen und zukünftigen Emissionen wichtig. Eine entscheidende Rolle spielen hierfür auch die bereits in der Vergangenheit emittierten Treibhausgase. Diese bleiben noch für viele Jahrzehnte, teilweise Jahrhunderte in der Atmosphäre und bewirken so die ganze Zeit über einen verstärkten Treibhauseffekt.

Zudem kann die Menge der weltweiten Emissionen nicht einfach innerhalb von Tagen oder Wochen und auch nicht innerhalb von Monaten drastisch reduziert werden. Die globale Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien dauert mehrere Jahrzehnte.

Die Staaten haben auf den Klimakonferenzen hierfür einen Plan zur Umsetzung entworfen. Doch von diesem Plan sind die allermeisten Länder noch weit entfernt. Die globalen Emissionen bewegen sich sogar in die entgegengesetzte Richtung und steigen auch aktuell immer noch weiter an.

Was bedeutet dies? Ist ein Einhalten der 1,5-Grad-Grenze und der 2-Grad-Grenze praktisch noch möglich? Welche Schritte und Maßnahmen sind hierfür erforderlich? Und welche Folgen hätte ein Scheitern bei diesen Klimazielen?

In diesem Artikel fassen wir die wichtigsten Daten, Informationen, Rechnungen und Prognosen zum Thema 1,5 und 2 Grad Ziel zusammen. Dabei gehen wir vor allem auch auf diese Punkte und Fragen ein:

  • Warum sind die 1,5 Grad und 2 Grad Ziele so wichtig?
  • Können diese Klimaziele noch erreicht werden?
  • Wie viele Tonnen an Treibhausgasen dürfen maximal noch emittiert werden, damit die globale Erwärmung unterhalb von 2 Grad bzw. 1,5 Grad bleibt?
  • Wann werden die 1,5 Grad und 2 Grad Grenzen überschritten, wenn die Emissionen nicht schnell genug sinken?
  • Was genau passiert dann?
  • Welche Kipppunkte im Klimasystem sind mit der 1,5-Grad-Grenze verbunden?
  • Welche weiteren Folgen sind zu erwarten, wenn die globale mittlere Temperatur um 1,5 Grad oder sogar um 2 Grad ansteigt?
  • Welche Gebiete der Erde, welche Länder sind am stärksten betroffen?

Das Pariser Klimaabkommen

Ende November bis Mitte Dezember fand in Paris die 21. Klimakonferenz (COP21) statt. Die teilnehmenden Länder einigten sich auf verbindliche Klimaziele und beschlossen auch Schritte zu deren Umsetzung. Zusammen mit dem Kyoto-Protokoll gilt das Pariser Klimaabkommen deshalb als wichtiger Schritt auf dem Weg zum Klimaschutz.

Mit dem Abkommen von Paris einigten sich 195 Länder darauf, die folgenden Klimaziele einzuhalten:

  • 1,5 Grad Ziel: Es sollen Anstrengungen unternommen werden, um die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen.
  • 2 Grad Ziel: Auf jeden Fall soll die globale Erwärmung deutlich unter der 2-Grad-Grenze bleiben.
  • Netto Null Emissionen: spätestens ab 2050 müssen die Staaten der Erde dieses Ziel erreichen.

Aktuell (Stand 2024) sind alle Staaten der Erde und die Europäische Union dem Klimaabkommen von Paris beigetreten und haben das Abkommen ratifiziert. Dies ist für sich erst einmal ein sehr positiver Schritt und lässt hoffen, dass dadurch eine Klimakatastrophe verhindert werden kann.

Aber gelingt auch die Umsetzung der zur Einhaltung der Klimaziele erforderlichen Schritte? Oder geschieht die Reduzierung der Treibhausgasmessionen zu langsam, sodass die 1,5 Grad und eventuell auch die 2-Grad-Grenze überschritten werden?

Das 1,5 Grad Ziel

Dieses Ziel wurde im Pariser Klimaabkommen nicht verbindlich vereinbart. Es sollen, so der Wortlaut, nur „Anstrengungen“ unternommen werden, um dieses Ziel zu erreichen. Spätere wissenschaftliche Veröffentlichungen wiesen jedoch erneut darauf hin, dass diese Grenze besonders wichtig ist. Darum werden auch aktuell die Klimaschutzmaßnahmen der einzelnen Staaten daran gemessen, ob dadurch das 1,5 Grad Ziel erreicht werden kann.

Bedeutung

Warum ist die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels so wichtig?
Die 1,5-Grad-Grenze wurde aus mehreren Gründen als wichtiges Klimaziel festgelegt. Klimawissenschaftler sind der Ansicht, dass bis zu diesem Anstieg eine größere Wahrscheinlichkeit gibt, dass das Klimasystem der Erde stabil bleiben könnte. Und auch die Schäden und Kosten der Folgen des Klimawandels sind unterhalb dieser Grenze deutlich geringer als darüber.

Wird die 1,5-Grad-Grenze jedoch langfristig überschritten, ist sehr wahrscheinlich davon auszugehen, dass mehrere Elemente des Klimasystems instabil werden. Man spricht in diesem Zusammenhang oft von Kipppunkten, die überschritten werden.
Zu den Klimaelementen, die instabil werden können, gehören zum Beispiel auch: das arktische Meereis, der tropische Regenwald, der Golfstrom, die Permafrostböden und die Korallenriffe.

Manche dieser Kipppunkte haben einen sich selbst verstärkenden Effekt, bewirken also einen weiteren Anstieg der globalen Temperaturen oder können auch zum Überschreiten von weiteren Kipppunkten führen. Genauere Informationen hierzu findet Ihr in diesem Artikel:


Aber auch unabhängig von der Stabilität der Elemente des Klimasystems ist eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad wünschenswert: je weiter die Temperaturen ansteigen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu katastrophalen Auswirkungen kommt, siehe hierzu das Kapitel 2 Grad-Ziel.

Definition

Wann ist die 1,5-Grad-Grenze überschritten?

Das 1,5 Grad Ziel gilt als erreicht, solange das 20-jährige Mittel der globalen Temperatur um weniger als 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Referenzzeitraum (1850 bis 1900) ansteigt.

Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze an einem Tag, für einen ganzen Monat oder auch für 5 Jahre in Folge bedeutet also noch nicht, dass das 1,5 Grad Ziel verfehlt wurde. Erst wenn die 1,5 Grad langfristig überschritten werden, gilt das 1,5 Grad Ziel als nicht erreicht. Also nach Definition dann, wenn das 20-jährige Mittel der weltweiten Temperatur die 1,5-Grad-Grenze überschreitet.

Allerdings steigt die Wahrscheinlichkeit dafür immer weiter an, je öfter und je länger sich die aktuelle Temperatur oberhalb dieser Grenze befindet.
Für die letzten neun Monate war genau dies der Fall: von Juli 2023 bis März 2024 waren alle monatlichen Mittelwerte um mehr als 1,5 Grad wärmer als die jeweiligen Monate des Referenzzeitraums.

Referenzzeitraum

Der Zeitraum, gegenüber dem der Anstieg maximal 1,5 betragen darf, ist der sogenannte vorindustrielle Zeitraum von 1850 bis 1900. Die durchschnittliche globale Temperatur für diese 50 Jahre wird als Referenzwert genommen, siehe hierzu auch Grafik 1.

Ist das 2 Grad Ziel noch zu schaffen?
Grafik 1: Entwicklung der jährlich und global gemittelten Temperatur von 1850 bis 2024 (Daten: Berkeley Earth). Blaue Punkte: Abweichung gegenüber dem Mittelwert für den vorindustriellen Referenzzeitraum (1850 bis 1900). Rote Linie: kontinuierliches 10-Jahres-Mittel. Schwarze gestrichelte Linie: Trend seit 1980 und voraussichtliches Überschreiten der 1,5 Grad und 2-Grad-Grenze.

Im Jahr 2023 ist die Temperatur im Vergleich zu diesem Referenzzeitraum bereits um etwa 1,45 bis 1,53 Grad angestiegen. Dabei beträgt der Anstieg für den in Grafik 1 gezeigten Datensatz (Berkeley Earth) sogar bereits 1,5 Grad.

Es gibt 4 wichtige Datensätze, welche die Messungen der globalen Temperaturen über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren protokolliert haben. Diese variieren in den Werten etwas, wobei die Unterschiede vor allem in den Jahren vor 1900 liegen. Daher kann der Anstieg gegenüber diesem Zeitraum, je nach verwendetem Datensatz, etwas unterschiedlich sein.

Aber unabhängig von den verschiedenen Datensätzen, die über einen so langen Zeitraum zurückreichen, gilt: Der aktuelle Temperaturanstieg ist bereits sehr nahe der 1,5-Grad-Grenze. Siehe hierzu auch die Grafik 2, sowie den Artikel: Globale Erwärmung

Anstieg der globalen mittleren Temperatur gegenüber dem Referenzzeitraum (1850-1900)
Grafik 2: Anstieg der globalen mittleren Temperatur von 1850 bis 2023 in verschiedenen Datensätzen. Gegenüber dem Referenzzeitraum (1850-1900) beträgt der Anstieg im Jahr 2023 bereits mehr als 1,4 Grad.

Verbleibendes Kohlenstoff-Budget

Die Treibhausgasemissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe bewirken eine Verstärkung des Treibhauseffekts und bestimmen so darüber, wie stark die globale Temperatur ansteigt.

Dieser Zusammenhang ist auch quantitativ gut verstanden. Insbesondere kann berechnet werden, um wie viel Grad oder um wie viel Zehntel Grad die globale mittlere Temperatur ansteigt, wenn die jährlichen globalen Emissionen 40, 45 oder 50 Gigatonnen Kohlendioxid betragen.

Dadurch lässt sich auch relativ gut berechnen, wie viel Treibhausgase noch emittiert werden dürfen, ohne dass die Temperatur über die 1,5-Grad-Grenze ansteigt. Man nennt diese Menge das noch verbleibende globale Kohlenstoff-Budget.

Die entsprechende Kalkulation wird von Klimawissenschaftlern durchgeführt und regelmäßig in Fachartikeln veröffentlicht. Die beiden aktuellsten Veröffentlichungen hierzu sind aus dem Jahr 2023 (Lamboll et al., und Forster et al.) und kommen zu dem gleichen Ergebnis:

Im Januar 2023 beträgt das noch verbleibende Kohlenstoff-Budget zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziels 250 Gigatonnen.

Die jährlichen globalen Emissionen belaufen sich aktuell auf etwa 41 Gigatonnen. Daraus folgt: Anfang 2024 beträgt das noch verbleibende Kohlenstoffbudget etwa 210 Gigatonnen. Und es dauert bei gleichbleibender Menge der aktuellen Emissionen noch etwa 5 Jahre, bis ein Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze unvermeidbar wird.

Oder anders formuliert: Werden die Emissionen in den nächsten 5 Jahren nicht reduziert, sind bereits 2029 so viele Treibhausgase emittiert. dass die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels nicht mehr möglich ist.

Quellen
https://unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement
https://unfccc.int/most-requested/key-aspects-of-the-paris-agreement
https://www.ipcc.ch/sr15
https://www.ipcc.ch/sr15/chapter/spm
https://www.ipcc.ch/2018/10/08/summary-for-policymakers-of-ipcc-special-report-on-global-warming-of-1-5c-approved-by-governments
Forster et al. (2023): Indicators of Global Climate Change 2022: annual update of large-scale indicators of the state of the climate system and human influence, Earth Syst. Sci. Data, 15, 2295–2327, https://doi.org/10.5194/essd-15-2295-2023
Lamboll et al. (2023): Assessing the size and uncertainty of remaining carbon budgets. Nat. Clim. Chang. 13, 1360–1367. https://doi.org/10.1038/s41558-023-01848-5